Wegwerfautos

“An idiot admires complexity,

a genius admires simplicity”

Terry A. Davis

Vor einigen Wochen war ich gezwungen mit einem neuen Auto herumzufahren. Freiwillig würde ich mich ja nicht in so einen Alptraum setzen, geschweige denn so etwas kaufen oder “mieten”.

Die Fenster scheinen heute in Form von Schießscharten daher zu kommen (was die modernen Autos übrigens innen zu furchtbar dunklen Löchern macht) und es muss die mangelnde Übersichtlichkeit natürlich durch allerlei elektrische Helferlein ausgeglichen werden. Da hast du hinten Sensoren, vorne Sensoren, Spurassistenten, Kameras, Abstandswarner, Pieptöne und ähnlichen Schrott der die menschlichen Sinne ersetzen oder unterstützen soll – aber diese letztlich bloß verwirrt und auf Dauer abstumpft. Jetzt wird mir auch klar, warum viele Leute nicht mehr richtig mit ihren Autos fahren können. Diese ganze Litanei an Helferlein und Warnlampen lenkt die Aufmerksamkeit nicht auf das Geschehen auf der Straße, sonderns ins Cockpit. Von den ganzen Schaltern am Lenkrad – die meist auch noch zu klein beschriftet und ungünstig positoniert sind – wird man noch weiter in seiner Aufmerksamkeit eingeschränkt. Und das sollen dann die ganzen Sensoren ausgleichen, weil dein Gehirn und deine Augen ständig mit allem anderem beschäftigt sind, nur nicht mit Autofahren und Konzentration auf das Umweltgeschehen. Was für eine traurige Entwicklung.

Und dann haben die Autos heute noch Touchpanels, LED-Lampen, 50 elektronische Chips mit CAN-Bus Anbindung bis zum letzten Sensor. Ein Alptraum für jede Werkstatt und jeden Mechaniker. Früher konntest du eine durchgebrannte Glühbirne in 5 Minuten selbst wechseln, am Straßenrand, oder die Kontakte bei Korrosion ein bisschen sauberbürsten und das Teil hielt wieder 5 Jahre und kostete 2,50 DM. Heute musst du im schlimmsten Fall 5600 Dollar für ein defektes Rücklicht hinblättern. Und wenn du einen Scheinwerfer austauschen willst, dann dauert das heute 4-6 Arbeitsstunden oder so. Das ist doch bescheuert. Wer tut sich sowas freiwillig an. Nicht mal Werkstattmechaniker wollen sowas machen. Der Frust ist auch dort hoch über diese Entwicklung.

Viele Autos werden in den kommenden Jahren wirtschaftliche Totalschäden sein, weil irgendwelche elektronischen Baugruppen oder Einzelteile defekt sind oder die Reparatur von ungünstig eingebauten Komponenten ein reparaurtechnischer Alptraum sind. Die Fehlersuche und der Ersatz stehen oft in keinem Verhältnis zum Restwert des Fahrzeugs. Bei Lieferkettenproblemen ist es auch möglich, dass du keine entsprechenden Ersatzteile mehr erhältst, oder lange darauf warten musst. Das Auto steht dann still, weil irgendein kleiner Chip durchgebrannt ist, der mit der eigentlichen Antriebssteuerung nichts zu tun hat. So ein Fahrzeug zu besitzen muss wohl ziemlich frustrierend sein.

Glücklicherweise ist niemand gezwungen dieses Spiel mitzuspielen. Es ist freiwillig und mein Mitleid gegenüber solchen automobilen Leidensgeschichten ist gänzlich abwesend.

Wer also sein Geld zum Fenster rauswerfen will, der kaufe sich daher am besten ein modernes Auto. Schneller kann man sein Geld nicht vernichten. Umweltfeindlicher kann man sich auch nicht verhalten mit dieser Art von Wegwerfeinstellung. Keines dieser modernen Fahrzeuge wird je eine Lebensdauer von 30 Jahren erreichen. Ginge es den Herstellern wirklich um “Klimaschutz” und “Umweltfreundlichkeit” (und nicht wie in Wahrheit darum mit Tricks soviel Geld vom Konsumenten auszupressen wie möglich), dann würden sie heute sowas in der Art eines Volvo 960 bauen mit Vollverzinkung, wenigen Komponenten, dauerhaft, stabil für mindestens 500000 km. Aber es wäre wahrscheinlich so, dass die meisten Leute hierzulande so eine Wertigkeit heute gar nicht mehr erkennen, nicht schätzen und auch nicht kaufen würden. Sie würden weiterhin zu “stylishen” Autos greifen, Hauptsache ist man kann sein Smartphone anschließen, und was von “klimafreundlichem Auto” faseln, welches in Wirklichkeit vollgestopft mit hochgiftigem Sondermüll ist. Und nach 8 Jahren ist das Auto ein Schrotthaufen, weil keine Updates mehr geliefert werden und man nicht old-school rumfahren will und es außerdem was “schöneres” gibt und man jetzt 1,2 Sekunden schneller auf 100 km/h beschleunigen kann.

Je weniger Chips und integrierte Schaltkreise euer Fahrzeug hat, desto besser ist das. Wer Autos hat, die sich bei fehlender oder schwacher Batterie im Schlüssel nicht starten lassen: herzliches Beileid!! Ein Auto muss im Notfall immer anspringen – wenn auch nur behelfsmäßig, und du musst es selbst warten können und wissen wo du hinlangst bei Fehlern. Alles andere ist Unselbständigkeit und ein Ausgeliefertsein an externe Helfer. Wenn möglich baut ihr sowas wie Wegfahrsperren am besten auch gleich aus.

Das beste automobile Zeug was Dauerhaftigkeit und “Moderne” miteinander vereinbart, findet man vermutlich zwischen Ende der 1980er und Mitte der 1990er Jahre. Da hat man zwar einen gewissen Anteil Elektronik verbaut (Einspritz-Zündanlage, Abgasregelung o.ä.), aber diese Komponenten sind vergleichsweise einfach und dauerhaft aufgebaut. Zumindest kommt man bei deinem Defekt üblicherweise recht schnell und unkompliziert zu einem fahrfähigen Auto zurück. Bei älteren Fahrzeugen hast du hauptsächlich Vergaser- oder Zündungsproblematik und/oder schlecht verarbeitetes Blech. Alte Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter sind natürlich das optimale in Sachen Dauerhaftigkeit und abwesender Elektronik, aber natürlich ganz böse für die Erde und so, weil da kommt etwas grober Kohlenstoff aus den Auspuffrohren heraus.

 

 

Selbst dieser 1993er Audi 100 C4 hat für meinen Geschmack schon zuviele Sensoren und zuviele elektrische Helferlein. Immerhin seit 30 Jahren unterwegs ohne größere Ausfälle. Das müssen moderne Autos erst mal schaffen, bevor sie sich als “umweltfreundlich” und “zuverlässig” bezeichnen können… (Vorbesitzer Dr. Hermann Schnell hat wahrscheinlich prinzipiell keinen Schrott gekauft und in sein Leben gelassen…)