Früher war alles besser

Ist natürlich Unsinn, wird aber oft behauptet. Insbesondere wenn es um die Qualität von Maschinen, Stahlerzeugnissen und Automobilen geht.

So hat mir letztens wieder jemand erzählt, dass der Maschinenbau im totalen Niedergang begriffen sei weil nur noch Schrott produziert werden würde und überhaupt der Stahl mangelhaft sei. Überhaupt seien früher generell qualitativ bessere Produkte erzeugt worden.

Ich halte diese Aussage für einen klassischen Wahrnehmungs-Bias, eine Wahrnehmungsverzerrung.

Man sieht eine Maschine von 1960 und denkt: »Ein klasse Produkt, die Maschine hat über 60 Jahre überdauert und arbeitet immer noch. Sowas gibt es heute nicht mehr, heute ist alles nur noch billiger Schrott!« Es stimmt wohl, dass heute viel Wegwerfware produziert und nachgefragt wird. Aber das war vor 60 oder 100 Jahren ganz genauso. Das was du heute nach einem Jahrhundert siehst und noch gebraucht kaufen kannst, ist allerdings nur das gute Zeug, was durchgehalten hat und auch dementsprechend pfleglich behandelt wurde. Der restliche Schrott der in den letzten hundert Jahren gebaut wurde, ist eben schon lange in der Metallverwertung oder im Mülleimer gelandet. Diese defekte, ausgemusterten, vernichteten Maschinen und Waren bekommt man heute einfach nicht mehr zu Gesicht, normalerweise, weil sie den Qualitätsansprüchen über die Jahrzehnte nicht genügt haben. Alles was heute noch funktioniert, was noch benutzbar ist, durchgehalten hat, war von damaliger guter Qualität. Das heißt aber noch lange nicht, dass früher nur gute Sachen hergestellt wurden. Ramschige Billigware gab es zu allen Zeiten, aber dieser Schrott hat es einfach nicht hinüber in unsere Zeit geschafft.

 

Ein Beispiel aus der Praxis: Zu der Zeit als ich noch die Bücher selbst gedruckt habe, kamen mir immer wieder solche Maschinen unter die Finger, weil der Deal meistens lautete für wenig Geld alles mitnehmen oder räumen zu müssen. Da waren oft Maschinen aus den 1960er oder 70er Jahren dabei, die einfach nur Kernschrott waren. Auch damals wurden schrottige Eisenschweine produziert. Druckmaschinen von Gestetner oder ROTO sind bei mir praktisch ungesehen in den Container gewandert. Rotaprint und ABDick waren eher so “naja” bis “Müll”, quasi der Billigheimer für den Firmenmarkt zum Handzettel drucken und damit fing man eben an weil man sich nichts anderes leisten konnte als Student. Während die Heidelberger und die Multigraphics-Maschinen übrig blieben und treu bis zum Ende der eigenen Druckerei ihren Dienst verrichtet haben und heute wahrscheinlich noch irgendeine Zeitung in Afrika drucken.

Das meiste was den heutigen Maschinen den Garaus bescheren wird, ist ihre innewohnende Komplexität: die Steuerelektrik und Software die dort eingepflanzt wird. Niemand wird diese Maschinen je wieder in Betrieb nehmen können (oder nur mit extrem hohem Aufwand) wenn es einen dementsprechenden Defekt gibt und es z.B. keine Steuerprogramme mehr gibt. Das zeichnet die älteren Maschinen einfach aus: einfachste Steuerungen oder überhaupt keine Elektrik, was diese Maschinen unglaublich dauerhaft macht. Ich habe all die Jahre nie Techniker für die Druck- und Buchbindemaschinen gebraucht. Fast alles war reparierbar mit “Hausmitteln” wie ein paar Kondensatoren, Mikroschaltern und Relais. Hin und wieder tat’s auch ein alter ausgemusterter Keilriemen der eben passte. Oder man musste mal einen anderen Antriebsmotor einpflanzen, für nen 10er von ebay, weil der alte einfach durch war. Bei modernen Maschinen musst du mit solchen Basteleien gar nicht erst anfangen.

 

Heute (wie früher) greifen die meisten Endverbraucher wohl eher zu Ramschware. Es stellen sich wahrscheinlich die wenigsten Leute eine Kaiser-Idell Präsident für 500.- auf den Arbeitstisch die noch in 50 Jahren funktionieren wird. Es ist dann meistens doch nur die wacklige Gelenklampe von Ikea für 15.- die man wieder nach 5 Jahren ausmustert.

Es ist natürlich sinnvoller einmal richtig gute Qualität zu kaufen, genau einmal im Leben, um sich dann nicht mehr damit gedanklich mit diesem Gegenstand befassen zu müssen. Wer billig kauft, kauft leider sehr oft.