Kein Zurück mehr

Die letzten 5 Jahre waren aus politischer und wirtschaftlicher Sicht alles andere als langweilig. Es beschleicht einen das unweigerliche Gefühl, dass sich die Abläufe zunehmend beschleunigen und endlich “offene Rechnungen” aller Orten beglichen werden.

Irgendwann kommt es nach Gesprächen, Verhandlungen, Handelsabkommen und Verträgen eben doch wieder zum Schlagabtausch zwischen Weltanschauungen, weil für zwei fundamental gegensätzliche Denkweisen kein Platz auf dieser Erde zu sein scheint. Wandel durch Handel ist grandios gescheitert, Institutionen versagen, lösen sich auf, Verträge sind nicht mehr das Papier wert auf dem sie festgehalten wurden, jeder macht das, was ihm (vermeintliche) Vorteile verschafft.

Wenn wir auf den Ukrainekrieg blicken, so sehen wir auch hier seit ungefähr 2-3 Jahren, dass es bei kriegerischen Handlungen selten ein Zurück gibt. Es handelt sich um ein selbstbeschleunigendes, hochdynamisches Geschehen das jeder Kontrolle entzogen ist. Zu Beginn oder kurz vor dem Ausbruch des Krieges wurde hierzulande noch über die Lieferung von 3000 Stahlhelmen und Wolldecken palavert. Dann redete man über Munition, dann über Panzer, Luftabwehrsysteme, jetzt über Taurus, dann wird man über Taurus oder andere Waffen ohne Reichweitenbegrenzung sprechen, dann über andere europäische Soldaten die “erst mal weit hinter der Front die ukrainischen Truppen entlasten könnten”, dann über internationale Soldaten die die ukrainischen Städte beschützen, dann die Wege bis zur Front absichern, mit Luftunterstützung natürlich, und am Ende selbst direkt an der Front mitmischen weil halt eine Bombe auf die ausländischen Truppen fiel. Und in Russland droht man erst mit Atomwaffen, dann macht man Paraden an der Grenze damit, dann wird die erste taktische Nuke gezündet (quasi bloß ein kleiner Atombombentest), und dann müsste man sowieso eingreifen auf internationaler Ebene. Wie praktisch, dass die Truppen dann ohnehin schon da sind… Währenddessen China versucht Taiwan zu übernehmen während die Streitkräfte der USA und die Waffenindustrie mit Nachschubproduktion befasst ist. In Israel, Iran, Palästina brodelt es ohnehin schon (zu) lange, und es wird weiterbrodeln bis eine Partei völlig die Nerven verliert und alles außer Kontrolle gerät (wenn es das nicht schon längst ist). Nordkorea wird auch seine Chance wittern mal endlich den Worten Taten folgen zu lassen wenn die Welt nicht genau hinsieht usw. usf.

Dies ist ein Schachspiel und es wird bis zum Schachmatt gespielt, bis einer der Gegner finanziell, personell und waffentechnisch ausgeblutet ist. Wir könnten sogar annehmen, dass der Zweite Weltkrieg nie wirklich geendet hat. Es war nur eine Verschnaufpause bis man die Kriegshandlungen wieder aufnehmen konnte, die Frage wer zuerst zucken wird und eine Grenze überschreitet im physischen Sinne, und die alten politischen Machtblöcke dort weitermachen, wo sie damals gezwungenermaßen aufhören mussten.

Es wird für längere Zeit ungemütlich werden, alles was wir bisher sahen ist nur ein Auftakt zu einem größeren Showdown der sich bereits am Horizont abzeichnet. Dieser Konflikt wird nicht so schnell erkalten und ein “neuer Kalter Krieg” ist nicht in Sicht. Keine Partei wird sich freiwillig zurückziehen und in eine jahrzehntelange Passivität verfallen. Diese Zeiten sind vorbei. Jetzt heißt es für beide Seiten entweder siegen oder untergehen. Es wird voraussichtlich niemand klein bei geben und den Schwanz einziehen. Dazu ist die Angelegenheit schon zu weit fortgeschritten, es wurde schon zu viel eingesetzt, zu viel gewagt in diesem Krieg.

Die Polarisierung auch im eigenen Lande wird weitergehen, zwischen denen die sich einem stärkeren Gegner immer am liebsten sofort unterwerfen möchten und um Gnade bitten um Leben zu dürfen (und sei das Los unter dem sie dann leben noch so hart), und denen die die gegensätzliche Meinung vertreten sich Unterdrückern mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen, auch wenn sie selbst dabei Gefahr laufen verletzt zu werden oder dafür zu sterben. Es besteht ein weltanschaulicher Gegensatz zwischen diesen zwei Lagern, es ist ein Ringen das einige Zeit ruhen kann, aber nie wirklich endet. Dies ist eine Entwicklung die voraussichtlich nicht mehr zu stoppen ist. Dieser Riss wird durch Familien, Freundschaften und allen anderen gesellschaftlichen Schichten gehen. Das ist eines Tages nicht mehr nur ein Riss, sondern ein Graben der immer tiefer und breiter wird, und bei dem diese gegensätzlichen Lager nicht mehr zu einander finden werden. Ein Heraushalten ist in den meisten Fällen nicht möglich, es wird eines Tages jeder Stellung beziehen müssen auf welcher Seite er stehen will.

Die Frage ist, wie lange sich dies alles hinziehen wird, ob noch weitere Spieler auf den Plan treten und es eines Tages ein Schwenk von einem Kampf von Weltanschauungen und Denksystemen hin zu einem Kampf um überlebenswichtige Ressourcen werden wird. Und wenn es ums Fressen und Energie geht, dann werden ohnehin sämtliche Hemmungen fallen. Dann fällt man selbst oder der andere, dann spielt es keine Rolle mehr weil sich niemand der Dynamik entziehen kann, der Dynamik des Überlebenstriebes, dem sich in der Natur stets alles andere unterordnet.